Sonntag, 10. Juli 2011

100. Geburtstag Sybille Bedford




 Eddy Weeger ist sehr konzentriert und wie man sieht hat er sich sehr gut vorbereitet.





 Das Ehepaar Pfister von der Buchhandlung Pfister in Bad  Krozingen war heute auch im Salmen.







Herr Henrich spielte in den Pausen auf dem Klavier, und musste sich dann mit einem Bier stärken.




Ich wünsche allen eine schöne Woche.

Gruß Regina Boll


(Für die Badische Zeitung von Otmar Faller)
HARTHEIM. Das Ambiente im Salmen stimmte: Dieter Henrich spielte im Foyer auf dem Klavier zeitgenössische Lieder, bevor Archivar Eddy Weeger, hinter einem beeindruckenden Stapel Bücher sitzend, vor zahlreichen Zuhörern begann, über Sybille Aleid Elsa, Freiin von Schoenebeck, später verheiratete Bedford, zu sprechen. Anlass des Vortrags war der 100. Geburtstag von Sybille Bedford. Weegers Vortrag förderte unter anderem Interessantes aus den Kindheitstagen Bedfords zutage, die sie im Schloss von Feldkirch verbracht hat. Sybille Bedford, geboren am 16. März 1911 in Berlin-Charlottenburg, gestorben am 17. Februar 2006 in London, war eine Journalistin und Schriftstellerin. Sie arbeitete mit führenden europäischen und amerikanischen Zeitschriften wie The Spectator, Observer, Harpers and Queen oder der New York Times zusammen. Berühmt wurde sie unter anderem durch ihre Gerichtsreportagen, die sie auch einmal zu einer Verhandlung nach Staufen führten. Außerdem war sie Vizepräsidentin des internationalen PEN. Bedford hatte viele prominente Freunde in literarischen Kreisen: unter anderem Klaus und Erika Mann sowie Aldous Huxley, mit dem sie eine Jahrzehnte lange Freundschaft verband und der sie in kritischen Lebenslagen unterstützte.
Alle diese Bücher hier, erklärte Eddy Weeger und deutete auf den Stapel vor ihm, stammten aus der Feder von Sybille Bedford, mit der Weeger selbst noch persönlich in den 90er Jahren korrespondierte – allerdings in englischer Sprache, weil sie die deutsche nicht mehr beherrschte, und weil sie, wie sie ihm persönlich schrieb, "für die Dorfschule in Feldkirch keine Schande sein wollte".
Auf Grund der Scheidung ihrer Eltern, die sich für ihren Vater finanziell gesehen sehr negativ auswirkte, hatte sich die "Baroness" eine Zeitlang in Italien bei ihrer dort lebenden Mutter und später in Frankreich aufgehalten. Der Weg zurück nach Deutschland wurde ihr versperrt, weil sie sich in einem Artikel in Klaus Manns Exilzeitschrift "Die Sammlung" kritisch über die Nazis geäußert hatte. Mit Mann und anderen Exil-Literaten, die sich seit 1933 in Sanary-sur-Mer an der Côte d’Azur aufhielten und die damals ihre Nachbarn waren, solidarisierte sich die junge Frau. Zudem war ihre Großmutter Jüdin, die allerdings zum katholischen Glauben konvertiert war.
Nach der Veröffentlichung des besagten Artikels wurde ihr Vermögen in Deutschland beschlagnahmt. Sie hielt sich mit Sprachunterricht und der Hilfe von Freunden über Wasser. Im Jahr 1935 schloss sie mit dem britischen homosexuellen Walter Bedford eine Scheinehe, was ihr die britische Staatsangehörigkeit einbrachte. Vor der drohenden Besetzung Südfrankreichs durch die deutsche Wehrmacht gelang es ihr 1940, mit einem der letzten Schiffe von Genua nach Amerika zu fliehen.
Baroness "Billi", so wurde sie von den Kindern in Feldkirch genannt, war nach dem Ende des Ersten Weltkrieges nach Feldkirch gekommen. Das Schloss, vorher im Besitz der Familie Wessenberg, hatte 1912 ihre begüterte Mama ihrem Vater zur Hochzeit geschenkt. Nach der Trennung ihrer Eltern lebte die Baroness mit ihrem Vater und der Haushälterin Lina alleine auf dem Schloss – allerdings unter wenig erhebenden Umständen. Weeger zitierte in der zweiten Hälfte seines Vortrages aus Bedfords Buch "Rückkehr nach Sanary" – darin ist unter anderem zu erfahren, dass die Deichsel der Schloss-Kutsche tiefer gelegt wurde, weil ihr Vater aufgrund der finanziellen Misere der Familie keine Pferde mehr besaß und die Kutsche deshalb von zwei Eseln gezogen werden musste. Auch die alltägliche Speisekarte war ein Thema, vor allem die "Pflutten (aus Grieß oder Kartoffeln), Knöpfle und Spätzli", die von der Haushälterin Lina zubereitet wurden.
Ängste hätte sie ausgestanden, erinnerte sich Bedford, dem Geist "Wessenberg" zu begegnen, wenn sie ihr Vater mit einer brennenden Kerze in der Hand in den Keller zum Weinholen geschickt hätte. In der Dorfschule habe es "Tatzen-Schläge" auf die Hand gegeben und manchmal hätte der Lehrer für ein schlimmes Vergehen einen Jungen einfach über das Pult gelegt und ihm den Hintern versohlt.
Den Ort Feldkirch beschrieb sie in ihrem Buch als kleines Dorf mit etwa 250 Einwohnern, mit weniger als 50 Häusern, die sich vier Familiennamen, nämlich die "Rinderles, Fallers, Martins und Hausers" geteilt und die alle Landwirtschaft betrieben hätten. Immerhin: Pfarrhaus und Schloss hätten fließendes Wasser gehabt. In der Kirche beobachtete die kleine Baroness genau, welcher Ministrant das Messbuch von der Epistel- zur Evangelienseite tragen musste und dass die Sitzordnung genau geregelt war.

Nach Eddy Weegers begeistert aufgenommenem Vortrag sorgte zum Schluss Mathilde Boll aus Feldkirch noch für eine Überraschung, als sie plötzlich ein Puppenkleid vorzeigte, welches tatsächlich von der "Baroness" aus Feldkirch stammen soll. Wie sie zu diesem Kleidchen gekommen war, blieb allerdings Frau Bolls Geheimnis.

1 Kommentar:

  1. Brigitte Jossen11. Juli 2011 um 15:41

    War ein ganz toller Abend.
    Interessant, informativ und auch lustig. Hat mich neugierig auf Bücher von Sybille Bedford gemacht.
    Vielen Dank Eddy

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